Die Abruzzen besitzen die höchsten Berge des Apenninengebirges. Es ist eine mittelitalienische Region, die sich durch bedeutsame Kunstschätze und die schönsten und wildesten Landschaften in Europa auszeichnet. Die Begegnung von Kultur und Natur in Italien wird in den Abruzzen auf beeindruckende und nachhaltige Weise sinnhaft.
Pacentro liegt oberhalb der Ebene von Sulmona. Die drei Türme des Orsini-Kastells schmücken fast jeden Abruzzen-Reiseführer. Die Sicht zu den Bergen der Majella, des Sirente, des Gran Sasso und zum Nationalpark Abruzzen lässt keine Wünsche offen. Ein wichtiges Volksfest (»Corso degli Zingari«, der sog. »Lauf der Zigeuner«), eines der besten Restaurants der Abruzzen (Taverna dei Caldora) und eine Verbindung zum Pop in Amerika (die Vorfahren der Musikerin Madonna stammen von hier) sind nur drei von vielen Attributen, die Pacentro bekannt gemacht haben.
Der Blick über Pennapiedimonte reicht über den »Vallone delle tre Grotte« zu einem Bergkamm, der die Täler der westlichen Hänge von der östlichen Flanke des Majella-Gebirges trennt.
Dreißig Kilometer in der Länge und bis zu sieben Kilometer in der Breite dehnt sich die Hochebene des Campo Imperatore zu Füßen des östlichen Gran Sasso-Gebirges aus. Einst Start- wie Zielpunkt der Transumanza für hundertausende von Schafen, sind es heute im Verhältnis zu früher nur mehr wenige Schafe, Pferde und Kühe, die unterhalb der höchsten Gipfel des Apennins Sommerweide finden.
Die Beweidung hinterlässt Spuren, die einer Landschaft ihr unverwechselbares Bild eindrücken.
Pescina dei Marsi. Der berühmteste Dichter der Abruzzen, Iganzio Silone, wurde 1900 hier geboren. Durch das große Erdbeben 1915 verlor er fast alle Mitglieder seiner Familie, nur ein Bruder und ein Onkel überlebten. Als »Kommunist ohne Partei und Christ ohne Kirche« flüchtete er vor dem Faschismus und verbrachte den größten Teil seines Lebens im Exil. Heute gilt er als rehabilitiert und nicht nur in Pescina, in den gesamten Abruzzen werden seine Person und sein Werk geschätzt. An der Kirche unterhalb des Kastells fand er seine letzte Ruhestätte.
Der Sirente liegt in der Nachbarschaft von Pescina, ist eine der typischen, durch Beweidung entstandenen Landschaften der Abruzzen. Ignazio Silone erwähnt den Berg in seinem Buch »Der Samen unter dem Schnee«.
Südlich unterhalb des Sirente, die Gunst der geografischen Lage nutzend, liegt der Windpark von Collarmele.
Nutzung erneuerbarer Energien auch in Ortona nei Marsi.
Die Nordseite des Sirente vom Schäferdörfchen Pagliare Tione aus.
Acciano, ebenfalls ein Dorf im Sirente-Gebiet. Sehr alt, sehr pittoresk, sehr verlassen – laut offizieller Zählung lebten Ende 2016 gerade noch 318 EinwohnerInnen hier.
Verlassenes Haus auf der Majella-Seite der Abruzzen.
Dasselbe, ein, zwei Kilometer weiter. Heute nichts mehr als fast eine Ruine, einstmals ein stolzes Bauernhaus mit typischer Architektur der ländlichen Abruzzen.
Giuliano Di Menna ist einer der sensiblen Architekten in den Abruzzen. Er engagiert sich für die intelligente Restaurierung alter Bausubstanz – und für eine Moderne, in der die Geschichte des Landes mitschwingt. Angela Natale ist Gymnasiallehrerin, ist Kulturfrau, die sich zwischen italienischer und deutscher Kultur bewegt und ist wirkungsmächtige Naturschützerin. Giuliano stammt aus Bucchianico, Angela aus Fara S. Martino.
Casino di Caprafico, das Haus von Giacomo Santoleri. Auf der Hochebene von Caprafico wird exzellentes Olivenöl gewonnen, werden Farro (Emmer) und Linsen angebaut. Ein Stückchen weiter steht ein Ferienhaus, welches Giacomo vermietet. Die Sicht von dort auf die Majella-Berge ist kaum zu übertreffen.
Civitaretenga oberhalb der Ebene von Navelli gehörte noch vor fünfunddreißig Jahren zu der Gegend, die Roger Willemsen als »Land der Ruinen« bezeichnete. Alleine vom Safran-Anbau ließ sich nicht überleben, doch die verkehrsgünstige Nähe zu L’Àquila sorgt heute für eine gewisse soziale Auffrischung. Das große Haus zeugt durch die Verzierung seines Architravs und seiner Gewände auf die aragonische Vorherrschaft in den Abruzzen.
Drei Bilder eines Sonnenuntergangs in den Abruzzen. In den Tälern zwischen der Majella und dem Gran Sasso steigt der Herbstnebel auf und füllt den Raum unterhalb der Höhenzüge.
Ein Faulbaum ist nicht nur Weide für den Zitronenfalter und etliche andere Schmetterlingsarten, seine schwarzen Beeren stellen Bärenfutter dar.
Sowie drei Fotos von Buchen im Abruzzen-Nationalpark, die nachvollziehen lassen, welche elementaren Kräfte durch die Abfolge der Jahreszeiten wirken. Ein langsam verfallender Baum ist für Myriaden von Insekten und eine Vielzahl von Pilzen und Vögeln unersetzlicher Lebensraum.
Hier ist die Landschaft nach den Steinhäusern benannt. Der »Colle della Civita« bot Schutz und Heimstatt für eine große Schafherde und ihre Hirten. Diese Häuser wurden oft in Gruppen gebaut und von Zäunen, ebenfalls aus trockenen Steinen, begrenzt, um die Herden einzuschliessen und sie gegen Räuber zu schützen. Dieses Konstruktionsprinzip gibt den Gebäuden den Eindruck von Archaik und den Charakter eines ursprünglichen primitiven Festungswerks und bildet einen präzisen Anklang an die Steinhäuser, die seit mehr als 8000 Jahren in Mesopotamien und Zypern vorkommen. Das Winkelmaß der Steine, die Bedachung in Form eines Tonnengewölbes, die Eingangstürpfosten, die manchmal vorkommenden Fenster sind Formen ländlicher Architektur und wirken als Zeugnisse der Evolution. Sie sind wahrscheinlich auf die durchdringende Gegenwart der benediktinischen Zisterzienser in der Gegend des Gran Sasso zurückzuführen.
Etwas oberhalb des Colle della Civita, nicht weit vom Passo Lanciano, liegt ein weiteres Schäferei-Ensemble: La Valetta. Es geht, typisch in seiner Anlage, aus einer Anordnung von drei Capanne hervor, zwei waren als Unterkunft für die Hirten bestimmt und eines gegenüber mit zwei Eingängen war eine Melkkammer. Eine hohe Einfriedung schloß die Herde nachts ein. Der Eingang war mit einer Türe aus rauhem Holz und mit dornigem Reisig versperrt.
Eine Besonderheit in den Abruzzen ist das einstige Schäferdörfchen Pagliare di Tione. Hoch über dem Dorf Tione in einer für heutige Augen umwerfenden landschaftlichen Szenerie liegt die »Sommersiedlung« der Schäfer und Hirten des Aterno-Tales. In Häusern aus festem Stein, mit Brunnen, Straßen und zwei Kirchen schufen sich die Menschen wohl etwas bequemere Bedingungen, als ihre Kollegen an anderen Orten der abruzzesischen Berge dies konnten.
Erdfarben.
Fast am Ende der Welt: Decontra über der Orfento-Schlucht, weil der Weg hinauf in das abgeschiedene Dorf weit und beschwerlich war und im Winter auch heute noch ist. Dabei liegen die Häuser in Sichtweite des Kurorts Caramanico Terme ...
Welcher neue Ofen wohl den alten ersetzt hat? Die Herdfeuer von Civitella Alfedena speisen sich wie seit jeher aus Buchenholz. Die Winter sind schneereich und bitterkalt – auf die Bergregionen zwischen den beiden italienischen Meeren passt das schöne Wort Sommerfrische allzugut.
Die Eremitei San Bartolomeo im Valle Santo Spirito in der Majella ist eine der schönst gelegenenen Wallfahrtsstätten in den Abruzzen. Alljährlich am 28. August feiert die Gemeinde Roccamorice ihr Patronatsfest. Es ist ein Traditionstermin, an dem die vielen Ausgewanderten aus Amerika, Kanada oder aus den nördlicheren Breiten Europas wieder nach Hause kommen. In einer langen Prozession wird die Statue des heiligen Bartolomäus zurück in die Eremitei getragen.
Fresken in der Kirche San Pietro ad Oratorium. Auf einer Insel im Tirino-Fluss gelegen, wie die meisten alten Kirchen in den Abruzzen, einst Bestandteil eines Klosters.
S. Liberatore a Maiella liegt ein wenig magisch an der Nordseite der Majella, nahe dem Dorf Serramoncesca. Zurückgehend auf das erste Jahrtausend nach Christus wurde San Liberatore als eine architektonische Musterkirche der Benediktiner errichtet. Montecassino war nicht weit und die Gegend zwischen Meer und Gebirge, oberhalb eines kleinen Flüsschens und inmitten fruchtbarer Landschaft taugte offenbar gut zur Gründung des Klosters.
Signora Costanza ist Kustodin der Kirche S. Maria in Valle Porclaneta bei Risciolo. Durch das Ehrenamt von Kustodinnen und Kustoden erfahren die sakralen Bauwerke an oft abgelegenen Orten einen gewissen Unterhalt und eine notwendige Sorge. Ohne diese Menschen wäre es für gläubige wie kunstsinnige BesucherInnen kaum möglich, die Kirchen zu betreten.
Pescosansonesco.
Wohl durch einen Meteoriteneinschlag zur Zeit des Kaisers Konstantin entstand dieser kleine See auf einer Weidewiese von Roccamorice nach Secinaro. Verifiziert wurde das Geschehen erst im zwanzigsten Jahrhundert, als naturwissenschaftlich sensibilisierte Reisende sich mit dem Phänomen beschäftigten.
Die Sommerfeuer resp. die Brandstiftungen des Jahres 2007 in Italien, die auch Teile der Abruzzen in Rauch hüllten, Wiesen versengten und Wälder abbrannten, waren Ausdruck eines Vandalismus und einer Feindschaft gegen die Natur. Die Grasnaben bildeten sich im darauf folgenden Jahr neu, die Bäume brauchen länger ...
Zum Reichtum der Abruzzen gehören die Naturschätze der Region. Hier vier Bilder floraler Kostbarkeiten, auch wenn das Kreuzblümchen sicher keine Rarität darstellt. Aber ändert das etwas an seiner Schönheit?
Nein. Und ob der Violette Dingel Limodorum abortivum rar oder kommun ist, ist ebenfalls keine Frage.
Pfingstrose Paeonia.
(Vermutlich eine) Hummelragwurz Ophrys holoserica
Zeichen des Südens, Zeichen des Pittoresken: Alte Türen. Offensichtlich ist die Baumarktdichte in einigen europäischen Regionen nicht mit der deutschen vergleichbar. Ach wie gut.
Mehr Türen aus den Abruzzen gibt es hier zu sehen (klick)
Konzeptkunst. Gesehen in Pescina. Wohltuend und ermutigend, wenn sich Menschen mit ihrer Gegenwart auseinandersetzen.
Lucca hat seine Piazza dell’Anfiteatro, die Abruzzen ihren Monte dell’Anfiteatro, der natürlich nicht so heißt. Ein Nordhang in der Serra Rocca Chiarano.
Unterhalb des Campo Imperatore, auf der Sonnenseite des Gran Sasso: S. Stefano di Sessanio.
Die fünf Kugeln als das Symbol der Medici an einem der Eingangstore von S. Stefano zeugen von der wechselvollen abruzzesischen Geschichte mit mannigfaltigen fremden Hegemonien – und vom Reichtum, der früher mit der Schafwirtschaft zu erzielen war.
Unter dem Dorf der Piano Viano mit seinen Campi aperti (wie die Felder, die an ihrem Ende sich in Wildnis auflösen, genannt werden).
Wie geht das zusammen? Fiat und Chrysler? Einer der virtuellen Schraubendreher heißt Sergio Marchionne und wurde 1952 in Chieti in den Abruzzen geboren, bevor er mit seinen Eltern nach Kanada auswanderte. Seine Pullover sind ein Begriff, dabei wäre eine andere Firma aus den Abruzzen zu nennen, die ihn ausstatten könnte: Brioni. Brioni wurde in Penne im Hügelland zwischen Gran Sasso und Adria gegründet, ist jedoch mittlerweile ebenfalls fusioniert. In diesem Fall und glücklicherweise nicht mit Chrysler.
Frattura vecchia, bis vor wenigen Jahren eines der nach einem Erdbeben verlassenen Dörfer. Heute zieht es Touristen hinauf.
Ausblick | Fine. Grazie.