Es gibt keine Kaffeehäuser auf El Hierro und es wäre wohl auch vermessen, danach zu fragen. Gesundheit, Soziales, Kultur, Gastronomie — die Infrastruktur dieser Insel im Atlantik lässt auf keinem Feld große Sprünge zu. Vielleicht weil das kleine Eiland von allen kanarischen Inseln am weitesten vom afrikanischen Festland entfernt liegt und jeder Import seinen Aufwand erfordert. Was der Ausgestaltung des Raumes Grenzen setzt. Dennoch ist die Insel ein Ort mit viel Lebensqualität. Gute Luft, keine Hochhäuser, viel atemberaubende Landschaft, freundliche Menschen. Canarios anderer Inseln, die nach El Hierro kommen, sagen: ›So wie hier hat es früher auch bei uns ausgesehen‹, was oft ein Kompliment, aber meist nur eine sentimentale Erinnerung ist. Es gibt die Dörfer am Meer und die Dörfer in den Bergen. Ganz oben liegt El Pinar. Die Bar El Mentidero gehört zu den Gasthäusern, in denen man essen, trinken, schauen und vergessen kann. Gewiss, oft ist es eine wertvollere Gabe, sich zu erinnern. Doch suchen wir nicht nach Orten, an denen wir unseren gewohnten Alltag abstreifen — und nach Plätzen, an denen wir den Alltag des Reiseziels annehmen können? Die Bar dieser Bilderreihe eröffnet diese Möglichkeiten. Wir können anonym bleiben, weil sie groß genug ist und klein genug, als Gast nicht übersehen zu werden. Es gibt zu essen und zu trinken, flinke Kellner, die bedienen und oftmals eine Tischrunde, die in ihrem Mikrokosmos des Dominospielens aufgeht. Zur Türe sind es wenige Schritte, davor dehnt sich die Hauptstraße von Valverde nach La Restinga. Autos, Busse, vorbeigehende Passanten, darüberziehende Wolken. Im Rücken die Stühle, an denen wir saßen, zu denen wir zurückkehren, wenn die, mit der wir im Eingang stehen, ihre Zigarette ausgeraucht hat.